Die Herausforderungen für den Gebrauch von Kälte- und Klimaanlagen sind vielfältig. Durch Gesetzgebungen gewinnt beispielsweise der Einsatz natürlicher Kältemittel und die Energieeffizienz im Gebäudebetrieb an Bedeutung. Hiermit steigt auch die Notwendigkeit, umweltfreundliche Anlagen zu nutzen, die vor Ort zuverlässig und effizient arbeiten. Dafür ist wichtig, dass sie die im jeweiligen Hersteller-Informationsmaterial angegebenen Daten in der Praxis einhalten. Vor diesem Hintergrund geben Zertifizierungen/zertifizierte Leistungsangaben allen Beteiligten die nötigen Sicherheiten.
Das Kolloquium “Energieeffiziente Kältesysteme für Supermärkte & Einkaufszentren” bot Marktteilnehmern am 28. Juni in Darmstadt eine Plattform zum Informations-, Erfahrungs- und Meinungsaustausch. Dabei standen von “EUROVENT Certifia Certification” (ECC) zertifizierte Lösungen im Mittelpunkt, um so auch das Zertifizierungssystem selbst erstmalig in Deutschland durch eine zielgruppenspezifische Präsenzveranstaltung vorzustellen. Veranstalter des Kolloquiums waren ECC, Paris, sowie das Ingenieurbüro „COOLPLAN“ aus München. Der Fachaustausch fand am Vortag des 14. Supermarkt-Symposiums des Zentralverbands Kälte Klima Wärmepumpen e.V. (ZVKKW) statt. Eine Folgeveranstaltung von Eurovent ist für Herbst 2024 in Deutschland geplant.
Beim Wettlauf um die Einführung umweltfreundlicher Technologien ist wesentlich, Planern und Systementwicklern Zugang zu verlässlichen Daten über die Leistungsfähigkeit von Komponenten/Systemen zu verschaffen, damit diese erfolgreich geplant und installiert werden und später wie angegeben eingesetzt werden können. Wenn dies nicht der Fall ist, kann der Ruf der Technologie - und derjenigen, die sie spezifizieren, entwerfen und installieren - zu Unrecht geschädigt werden, wenn vermeintlich nachhaltige Systeme in der Praxis nicht wie erwartet arbeiten und die Produktqualität darunter leidet. Zudem müssen Betreiber - neben einem störungsfreien und energieeffizienten Betrieb von Kälte- und Klimaanlagen - sicherstellen, dass alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden und sich hierfür kontinuierlich weiterbilden.
Bei der Begrüßung der gut 30 Teilnehmenden im Maritim Hotel Darmstadt stellte Gerhard Frei, Inhaber von Coolplan und Berater von Eurovent, heraus, dass sich die Veranstalter bewusst für einen begrenzten Teilnehmerkreis aus Herstellern, Anlagenbauern und -betreibern sowie Planern entschieden, um so einen regen Austausch zu gewährleisten. Hierfür standen energieeffiziente Kältekomponenten und -systeme, natürliche Kältemittel sowie zertifizierte Leistungsangaben auf dem Programm: Sie sind für Handelsimmobilien und einwandfreie Lebensmittel von besonderem Interesse.
Anschließend gab Maxiline Tamko, Marketing-Managerin, ECC, einen Überblick zu den sechs Einheiten der Eurovent-Gruppe, wovon die „Eurovent - European Industry Association“ die vermutlich bekannteste ist. ECC ist wiederum für 44 Zertifizierungsprogramme, 1.800 Tests pro Jahr und jährlich rund 2.600 Zertifizierungen verantwortlich. Für gewerbliche Anwendungen sind speziell die Programme für Wärmeübertrager („HE - Heat Exchangers“), Kühlregale („RDC/RRDC/IRDC Refrigerated Display Cabinet/Remote/Integral“), RLT-Anlagen („AHU - Air Handling Units“), Kaltwassersätze und Wärmepumpen („LCP-HP Chillers & Heat Pumps“), Klimageräte („AC - Air Conditioners“) und VRF-Systeme („VRF Variable Refrigerant Flow Systems“) relevant. Nähere Informationen dazu gibt es unter: https://www.eurovent-certification.com/en/third-party-certification/certification-programmes.
Eurovent setzt auf ein “Certify-all” Zertifizierungssystem, das ganze Herstellerbaureihen untersucht. Wichtig: Aus dem System kann man herausfallen, wenn sowohl die Erst- als auch Nachmessung eines einzigen Geräts in dem für das Programm ausgewählten Prüflabor nicht bestanden wird. Wärmeübertrager (vorwiegend Verdampfer, Verflüssiger, Gaskühler) werden zum Beispiel im TÜV-SÜD-Prüflabor in München/Olching zertifiziert. Zudem kann jederzeit eine Nachmessung durch ein Eurovent-Mitglied gefordert werden.
Die thematische Einführung in das Vortragsprogramm übernahm dann Roland Handschuh vom Refplan Ingenieurbüro für Kältetechnik, Hohenschäftlarn, und Vorsitzender des Historischen Kälte- und Klimatechnikvereins. Die Eurovent-Programme zur Zertifizierung ermöglichen eine technische Nachvollziehbarkeit, da sie Leistungen der Geräte messen. Dies verhindere Minderleistungen und damit Kosten für die Betreiber, was entsprechende Studien untermauern. Zudem lägen die Betriebskosten im Lebenszyklus einer Anlage um sechs bis zehn Mal höher als die (einmal zu tätigenden) Investitionskosten. Die sei den meisten Betreibern nicht bewusst.
Handschuh arbeitet selbst jahrelang bei Wärmeübertrager-Herstellern am Entwurf der HE-Programme mit, ebenso führende Mitglieder entsprechender Hersteller. Die ECC-Zertifizierungen folgen internationalen Normen zur Konformitätsbewertung, wie beispielsweise der DIN EN ISO/IEC 17065 “Konformitätsbewertung - Anforderungen an Stellen, die Produkte, Prozesse und Dienstleistungen zertifizieren”.
Eine Zertifizierung allein genüge oft nicht, wenn es vor Gericht darum gehe, dass eine Anlage nicht funktioniere, machte Karl-Heinz Thielmann, Sachverständiger vom Büro Thielmann und Präsident des Verbands Deutscher Kälte-Klima-Fachbetriebe e.V. (VDKF), in seinem Referat zur “Leistungsbeurteilung von Wärmeübertragern aus Sicht eines Sachverständigen” anschaulich. Hier zähle vor allem das Messen vor Ort - wenn möglich und idealerweise mit Bezug auf die Daten der Inbetriebnahme einer Anlage. Für ihn ist der Wettbewerb ein Hauptfaktor, dass Hersteller ihre Preise oft nach unten rechnen und Einkäufer zu häufig ausschließlich auf den billigsten Preis schauen, zumal Einkauf und Betrieb bei den Kunden meist getrennte Kostenstellen sind.
Neben den zahlreichen Normen und technischen Regeln, wie der DIN EN 327 “Wärmeübertrager - Ventilatorbelüftete Verflüssiger - Prüfverfahren zur Leistungsfeststellung” und der VDMA 24247 “Energieeffizienz von Kälteanlagen” - nannte Thielmann folgende Einflussgrößen für Verdampfer und Luftkühler:
Vor allem Eisbildungen an Lamellen von Wärmeübertragern gelte es zu vermeiden, da sie die Leistung einer Anlage um 20 bis 30 Prozent drosseln können.
Wie kann eine in der Praxis funktionierende Nachhaltigkeitsstrategie über die komplette Logistik-Kette aussehen? Das zeigte Manfred Rössling, Head of Energiemanagement der Rewe Group Deutschland. Die “Green Building Konzepte REWE GROUP - Herausforderung in Konzeption und Umsetzung” starteten zunächst mit einem Online-Energiemanagement und dem Bezug von zertifiziertem Grünstrom. Aktuell gibt es ein 1.000 Dächer-Programm für den Einsatz von Photovoltaik (PV) mit einer Höchstleistung von 99 kWp. Rewe hat zudem für seine Filialen eine Musterbaubeschreibung, die sich dem jeweiligen Rechtsrahmen anpasst. Neben Tageslicht im Verkaufsraum bedeutet das Wärmepumpen mit Klimafunktion (Kältemittel R410A, R32, R290) und eine Wärmerückgewinnung aus Kälte, wie schon das “Green Building” (2009) in Berlin zeigt.
Der “Green Farming Markt” in Wiesbaden Erbenheim von 2021 veranschaulicht darauf aufbauend die nächsten Schritte: Außer der Bodenplatte aus Beton besteht das komplette Gebäude aus Holz (standardisierte Bauteile). Der Rewe-Markt versorgt mit einer eigenen Basilikum- und Fischzucht den Markt in der hessischen Landeshauptstadt und Umgebung. Der Parkplatz verfügt über eine Bepflanzung und eine Wiese. Die Kühltechnik setzt sich zusammen aus einer Verbundkälteanlage (CO2-Booster), Gaskühler mit der Möglichkeit der Ventilatorumkehr und Kühlstellen (Kühlmöbel mit Glastüren-/decken). Ein kontinuierliches Monitoring, bidirektionale Kommunikation, Regeltechnik und einzelne Parameter helfen, den Betrieb digital zu optimieren. Rewe steckt sich selbst schrittweise Klimaziele. Das seit 2021 heißt, die eigenen CO2-Emissionen um 30 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 2019 zu reduzieren. Künftige Herausforderung dafür ist ein effizientes und bedarfsgerechtes Zusammenspiel von Kälte und Klima, was zum Beispiel über den Einsatz von Energiespeichern statt mehr Anlagenleistung technisch möglich wäre.
Dazu passte das Thema “Aktuelle Betrachtung von Supermarktkonzepten” von Andreas Koch, Fachexperte der Kaufland Stiftung & Co. KG. Er berichtete davon, dass auch sein Unternehmen auf natürliche Kältemittel setze - ebenso auf PV auf dem Dach bei Märkten der Größe 3.000 bis 4.000 m2 und Glastüren bei allen Kühlgeräten. Letztgenannte führen pro Filiale zu Einsparungen, die dem CO2-Fußabdruck von 4,5 Einfamilienhäusern entsprechen. Zudem erhöhen sie die Behaglichkeit im Markt. Bezogen auf die Kaufland-Filialen trage die Summe an Maßnahmen dazu bei, Energieeinsparungen von rund zehn Prozent zu realisieren. Den Großteil der Energie benötigt die Kälteanlage mit etwa 50 Prozent des Energiebedarfs; davon entfallen wiederum rund 80 Prozent auf den Verdichter. Kaufland setzt auf das Zusammenspiel von Kälte und Klima: Entweder im Verbund oder in Kombination mit einer externen Wärmepumpe mit dem Kältemittel Propan (R290). Darüber hinaus gibt es ein Energiemonitoring nach ISO 50001, was die DEKRA überwacht, und eine herstellerübergreifende Plattform zum Optimieren des Betriebs. Die Filiale in Eppingen erhielt bereits 2010 den Umweltpreis des Landes Baden-Württemberg.
In der Entwicklung der technischen Gebäudeausrüstung passiert sehr viel. Um aber auch im Betrieb die errechneten Planwerte einhalten zu können, muss bekannt sein, was der Nutzer möchte und wie sich dies mit möglichst niedrigem Energieverbrauch realisieren lässt. Dabei ziehen in Supermärkten die Verdichter den größten Energieanteil, worauf Michael Nagler, Sales Manager der Bock GmbH, in seinem Vortrag auf “Effiziente und leistungszertifizierte Verdichter” einging. Bock gehört mittlerweile zu Danfoss. Das bedeutet auch, dass die Produkte über eine “ASERCOM”-Zertifizierung verfügen. Bock ist bei der auf Verdichter spezialisierten Zertifizierungsorganisation Gründungsmitglied. Zum Harmonisieren von Sicherheitsbestimmungen sowie technischen Standards arbeitet man zudem mit dem Institut für Luft- und Kältetechnik gemeinnützige Gesellschaft mbH (ILK Dresden), dem Fachverband Gebäude-Klima e.V. (FGK) und dem TÜV SÜD zusammen.
Wie auch die ECC-Zertifizierung setzt Asercom auf die Kontrolle und die Plausibilitätsprüfung der im Markt erhältlichen Produkte und ihren Herstellerinformationen - in Zukunft vor allem auf CO2-Verdichter. Im Design von Verdichtern (thermische Trennung) und dem Einsatz von LSPM-Motoren sieht Nagler das meiste Potenzial. Allein durch einen solchen Line-Start-Permanent-Magnet-Motor lässt sich der Wirkungsgrad eines Verdichters um durchschnittlich fünf bis sechs Prozent steigern. In Kombination mit dem digitalen Leistungsregler “flexxCO2NTROL” seien weitere Optimierungsmöglichkeiten zu heben. Ganz aktuell: Am 29. Juni eröffnete der “Danfoss Smart Store ADC” in Nordborg, Dänemark. Das Anwendungsentwicklungszentrum befindet sich am Danfoss-Unternehmenshauptsitz und dient als Live-Demonstrator zum Testen neuer Lösungen. Es enthält Danfoss-Produkte, -Komponenten und (vernetzten) Anwendungen, die einzeln und vor allem auch im Zusammenspiel die Dekarbonisierung eines Betriebs voranbringen.
Hierfür kommen auch Wärmeübertrager ins Spiel. Sie sind für viele unterschiedliche Einsatzbereiche relevant. Großes Thema dabei ist der durch die EU-Gesetzgebung (F-Gase-Verordnung, REACH-Verordnung) geplante Umstieg auf natürliche Kältemittel. Kältemittel aus teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) sollen wegen ihres hohen Treibhauspotenzials (GWP) schrittweise aus dem Verkehr gezogen werden. Als Alternative bietet sich unter anderem das ungiftige und nicht brennbare Kältemittel R744 (CO2) an.
Dazu ein kleiner Exkurs: Wegen des vermehrten Einsatzes von R744-Systemen und Marktanforderungen führte ECC ein spezielles Leistungsbewertungsverfahren für CO2-Wärmeübertrager ein. Für die Leistungszertifizierung wurde ein moderner Prüfstand am “Kompetenzzentrum für Kälte- und Klimatechnik” des TÜV SÜD entwickelt. Das Programm, das auf einem freiwilligen Ansatz basiert, zertifiziert die Leistung des Produkts unparteiisch - durch Audits, Software-Validierung und Produktprüfung in einem unabhängigen Labor, mit speziellen Leistungselementen sowohl für
Für die Prüfung von CO2-Anlagen nach DIN EN 327 und DIN EN 328 wurde im “Kompetenzzentrum Kälte- und Klimatechnik” der TÜV SÜD Industrie Service GmbH ein innovativer Prüfstand entwickelt. Er umfasst präzise Leistungsmessungen sowohl unter Standardbedingungen als auch außerhalb der üblicherweise geforderten Bedingungen.
Mit dem neuen Prüfstand ist es möglich, CO2-Verdampfer mit Leistungen bis zu 40 kW und Gaskühler bis zu 100 kW zu messen. Durch den Einsatz von vier Verdichtern mit unterschiedlichen Leistungsstufen können Anlagen verschiedener Größen und Leistungen getestet werden. Aufgrund der hohen Druckfestigkeit der verwendeten kältemittelführenden Komponenten sind Messungen im trans- und subkritischen Bereich möglich.
Zu den eingebauten Komponenten gehören Rohre, Sicherheitsventile, Anschlüsse und flexible Schläuche, um den Anforderungen einer breiten Palette von Anwendungen und Prüfeinrichtungen gerecht zu werden. Darüber hinaus kann der Prüfstand thermischen Belastungen in einem Temperaturbereich von bis zu - 40 °C im Verdampfungsmodus und bis zu 120 °C im Gaskühlmodus standhalten.
Da Kohlendioxid geruchlos ist und den Sauerstoff verdrängt, sind die Prüfkammern im TÜV SÜD-Labor mit entsprechenden Sensoren und Warnsystemen ausgestattet, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten.
Das Eurovent-Zertifikat sorge für einen ehrlichen Wettbewerb, so Ceslovas Kizlauskas und Osama Aljolani, Fachexperten aus der Entwicklungsabteilung der Kelvion Germany GmbH. Auch sie sahen in Ihrem Vortrag “Wärmeübertrager für die Kälte‐ und Wärmepumpentechnik” die Verwendung von CO2 als Kältemittel als vielversprechend an: Es besitzt eine hohe spezifische Leistung, einen geringen Druckabfall und einen GWP von eins. Die CO2- und HFKW-Luftkühler (Verdampfer) sind ebenso ECC-zertifiziert wie die Rückkühler, Verflüssiger und Gaskühler von Kelvion. In Planung befindet sich durch ECC eine HE-Programmerweiterung für Sole- und Ammoniak (NH3)-Luftkühler (Verdampfer).
Kelvion bietet kundenspezifische Wärmepumpen-Außenverdampfer (10 bis 250 kW) sowie Standalone-Verdampfer oder integriert in einen Gaskühler als Flachbett- und V-Bank Versionen (50 bis 400 kW) an. Mit der “Select PHE Software” können Kunden beispielsweise ihre avisierten Luftkühler vorkonfigurieren - die Software zeigt dann, welche konkreten Geräte sich jeweils als Lösung eignen. Bereits realisierte Beispiele sind der Edeka-Markt in Berlin-Spandau, der Großmarkt Aligro und der Supermarkt Migros (beide in der Schweiz).
Vorreiter in Sachen Verwendung des natürlichen Kältemittels Propan sei die Swegon Germany GmbH, wie André Schulz in seinem Vortrag “Effizient und intelligent geregelte Propan-Wärmepumpen im Einzelhandel” erläuterte. Sein Unternehmen stehe in Deutschland für mehrere Marken (Zent-Frenger, SLT, Blumartin, Barcol-Air, Fujitsu) und habe die Mission, keine Emissionen bei sich und seinen Kunden zu verursachen. Service sei das dafür das zentrale Angebot. Als zukunftsfähige Kühllösung für Supermärkte stellte er die Serie “TITAN SKY“ von Swegon vor. Für diese Außengeräte ist charakteristisch:
In Kombination mit einer Sole-Wasser-Wärmepumpe, einer Wärmepumpe für Märkte mit Fleischverarbeitung und einer Wärmerückgewinnung als Innergeräte ermöglichen die Titan-Außengeräte einen umweltfreundlichen und bedarfsgerechten Betrieb. Propan besitzt einen GWP von drei und wird im Rahmen einer BAFA-Förderung mit einem Bonus von fünf Prozent versehen. Swegon legt großen Wert auf die Dichtigkeit seiner Anlagen.
Die anschließende Diskussion bestätigte die Relevanz dieses Punkts: Der direkte Treibhausgaseffekt von Kältemitteln wird nur wirksam, wenn das Kältemittel in die Atmosphäre entweicht, was bei ordnungsgemäßem Betrieb nicht oder nur zu einem kleinen Teil geschieht. Das bedeutet, dass eine Umweltbelastung rein durch die Leckagen entsteht, nicht durch die jeweilige Gesamtfüllmenge. Der VDKF hat über seine „LEC-Software“ mehr als 200.000 Anlagen im Monitoring und gibt die durchschnittliche Leckagerate aller mit 1,3 Prozent an. Im Gegensatz dazu gehen Akteure der politischen Ebene bei ihren Überlegungen vielfach von einer Leckagerate von 25 Prozent aus.
Das Motto “natürlich transparent” von LU-VE ist eine der Schnittstellen des Unternehmens zu ECC und Kältemitteln. LU-VE stellt lamellierte Wärmeübertrager unterschiedlichster Produktbaureihen her. Sie alle verfügen über eine Zertifizierung - so wie rund 67 Prozent aller der in Europa verkauften HLK-Produkte über ein ECC-Zertifikat verfügen. 27 unabhängige Testlabors und Agenturen führen Leistungszertifizierungen im Auftrag von ECC durch.
In seinem Vortrag untermauerte Gerhard Neuhauser von der LU-VE Deutschland GmbH, seine Aussage “Nicht zertifizierte Produkte = höherer Energieverbrauch und Schaden für unsere Umwelt” anhand von zwei Fallstudien. Die für Luftkühler zeigt, dass nicht zertifizierte Produkte einen um 17 (Tiefkühlung) und 12 Mal (Normalkühlung) höheren Energiebedarf im Jahr gegenüber einer zertifizierten Ausrüstung haben. Diese Kosten entsprächen etwa dem 4,2-fachen des Investitionspreises.
Die Ergebnisse der zweiten Studie zu CO2-Gaskühlern lauten:
Fallstudie 1: Zertifiziertes Produkt
Wirtschaftliche Simulation unter Berücksichtigung von Energiekosten von 0,25 €/kWh
Stromverbrauch der Anlage | 1.456 MWh/a |
Stromkosten der Lüfter des Gaskühlers | 8.134 €/a |
Stromkosten für den Kompressor | 355.746 €/a |
Gesamtkosten | 363.880 €/a |
Fallstudie 2: Nicht-zertifiziertes Produkt mit 25 % Überdimensionierungskoeffizient
Wirtschaftliche Simulation unter Berücksichtigung von Energiekosten von 0,25 €/kWh
Stromverbrauch der Anlage | 1.518 MWh/a |
Stromkosten der Lüfter des Gaskühlers | 8.633 €/a |
Stromkosten für den Kompressor | 370.824 €/a |
Gesamtkosten | 379.457 €/a |
Zusammenfassung des Verbrauchs und der Kostensteigerung durch die Verwendung von nicht zertifizierten CO2-Gaskühlern – Differenz zwischen Fall 1 und Fall 2
Stromverbrauch der Anlage | + 4,2 % | 62 MWh/a |
Stromkosten der Lüfter des Gaskühlers | + 6,1 % | 499 €/a |
Stromkosten für den Kompressor | + 4,2 % | 15.078 €/a |
Gesamtkosten | + 4,3 % | 15.577 €/a |
Auch wenn der Unterschied zwischen den beiden Simulationen auf den ersten Blick klein erscheinen mag, sind die Auswirkungen auf den Jahresverbrauch und damit die Kosten nicht zu vernachlässigen. Je größer die Diskrepanz zwischen der angegebenen und der tatsächlichen Kapazität ist, desto größer sind die Auswirkungen auf den Energieverbrauch der Anlage.
Das Fazit von Gerhard Neuhauser lautet dementsprechend: Eine Zertifizierung kann sowohl Produkte mit fehlerhaften Leistungen identifizieren als auch verhindern. Sie ist eine Versicherung für Lieferanten, Anlagenbauer, Endkunden und Planer. Bleibt die Frage: Wie läuft eine ECC-Zertifizierung konkret ab? Das stellte Gerhard Frei vom Ingenieurbüro Coolplan vor. Hier gibt es drei Schritte, siehe Abbildung 6:
In seinem Beitrag “Vorteile der Zertifizierung von Kälte-Komponenten für die Systemeffizienz” nannte Frei darüber hinaus auch Maßnahmen, die im Design von Anlagen (Lastberechnung, Konzept, Komponentenmatch, Voll- und Teillast) und speziell bei der Auslegung von lamellierten luftbeaufschlagten Wärmeübertragern entscheidend sind. Hier spielt beispielsweise der Wärmedurchgang geprägt durch Rohrschaltung, Strömungsform, Druckverluste, innerem Wärmeübergang als auch äußerem Wärmeübergang vom Rohr auf die Lamelle eine große Rolle. Anhand von Beispielen mit variierten Fluid-/Luftvolumenströmen wurden die Einflüsse von Druckverlust (dp), Reynoldszahl (Re) und Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) auf die Voll- und Teillastleistung von Luftkühlern demonstriert, um die Auswirkung von falsch deklarierten Leistungsdaten und physikalischen Grenzen des Wärmedurchgangs im Teillastbetrieb besser verstehen zu können.
Für einen effizienten Betrieb ist vor allem wichtig, ein Gesamtverständnis für die technischen Zusammenhänge und die Kälteanwendung zu haben, um die jeweiligen Systeme optimal in Voll- und Teillast betreiben zu können: Planer, Betreiber und Nutzer müssen die Schnittstellen verstehen, um die Auswirkungen ihres Handelns richtig beurteilen zu können. Softwarelösungen sind hierfür ein probates Hilfsmittel, wenn diese auf die jeweiligen Bedarfe zugeschnitten sind und die Nutzer sich nicht blind darauf verlassen, sondern jeweils die Plausibilität der Daten im Blick haben.
Die Leistungsangaben einer Anlage und ihrer Komponenten wirken sich auf allen Ebenen auf die System-Effizienz aus. Daher sind verlässliche Daten, wie sie eine Zertifizierung bietet, ein zentraler Schritt für Energie-, Kosten- und Emissionsminderungen und damit letztlich für ein gesundes Lebensumfeld. Optimierungspotenzial sieht Frei in erster Linie bei Wärmeübertragern und dem Zusammenspiel von Komponenten und Betriebspunkten. Danach folgen die Themen Regelkonzepte und Verdichtertechnologien.
Als Einstieg in die abschließende Diskussionsrunde stellte Gerhard Frei die Frage nach den Wünschen des Fachpublikums an Hersteller und EU-Institutionen. ECC zertifiziere aktuell HFKW-Kältemittel für Verdampfer und Verflüssiger, außerdem R744 für Verdampfer und Gaskühler. Die Bezugsgröße/Referenz für Verdampfer und Verflüssiger mit HFKW ist R404A; für CO2-Verdampfer und CO2-Gaskühler R744.
Für die Zukunft von Kältesystemen sahen die Teilnehmenden des Kolloquiums Potenziale bei dem Kältemittel Propan (R290) mit indirekten Systemen und Kälteträgern (Glykol, Eisbrei) oder direktverdampfenden NH3-Systemen. Deren Bedeutungen für die Praxis werden die konkreten technischen und gesetzlichen Entwicklungen zeigen. Die Hersteller prüfen selbst viele Optionen zum Thema Kälteträger. Für eine Zertifizierung ist entscheidend, dass die systemrelevanten Daten mess-/überprüf- und vergleichbar sind.
Die Zunahme indirekter Systeme führt vermehrt zum Einsatz von Plattenwärmeübertragern - sowohl als Verdampfer als auch Verflüssiger. Zertifizierte Leistungen von Plattenwärmeübertragern und Luftkühlern mit Kälteträgern gewinnen somit an Bedeutung. Entsprechende Zertifizierungsprogramme müssen dafür ins Leben gerufen werden.
Wärmerückgewinnung, Wärme- und Kältespeicher finden ebenfalls vermehrt ihren Einsatz. Letztere können Spitzen-Kühllastanforderungen auspuffern und die Dimensionierung von Kältesystemen erheblich reduzieren und zugleich einen effizienten Teillast-Betrieb gewährleisten.
Ziel ist, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu fördern. Dabei kann auch die Digitalisierung helfen. Entscheidend ist aber, dass alle Beteiligten ein Gesamtverständnis erlangen, was wann und warum zu passieren hat, damit mit der Gebäudeautomation wirklich ein effizienter und nachhaltiger Betrieb gelingt.
Wohin entwickelt sich der Markt? Die Antwort von Rewe darauf lautet Betreibersicherheit (Leistung, Regelverhalten, Dichtheit, Qualität) durch abgestimmte Komponenten/Konzepte. Durch den vermehrten Einsatz an indirekten R290-Einheiten mit Kälteträgern sind verlässliche Leistungsdaten von Luftkühlern und Platten-Wärmeübertragern erforderlich.
Weiterer Diskussionspunkt war eine mögliche Zertifizierung der Hersteller-Software (Verdichter und Wärmeübertrager), damit Planer eine Anlage richtig auslegen und anwenden können. Dazu wird es im Juli eine Eurovent Sitzung zum Thema Wärmeübertrager geben, um unter anderem die zukünftigen Referenzkältemittel für Zertifizierungen zu diskutieren. Das Ganze sei schwierig zu prüfen - die entsprechende Norm lege nur fest, wie gerechnet werden muss und man konzentriert sich derzeit auf die Ausgabe von zertifizierten Daten innerhalb der Software
Bestimmte Teillastpunkte genau zu betrachten/zertifizieren, könnte ein Ansatzpunkt sein, um die Rückrechnung von Daten auf Auslegungsdaten in Hersteller-Softwares überprüfen zu können. Verdichter seien demgegenüber leichter im Betrieb an Betriebspunkten zu überprüfen. Die Überprüfung von Leistungsdaten bei indirekten Anlagen mit Kälteträgern ist durch Installation von Wärmemengenzählern ebenso ohne großen Aufwand umsetzbar.
Bei lamellierten luftbeaufschlagten Wärmeübertragern spielen mehrere Rahmenbedingungen eine Rolle, zum Beispiel mögliches Fouling (Verschmutzungen), die Fertigungsqualität und der Wärmedurchgang von Lamelle auf das Rohr über den Betriebszeitraum von x Jahren. Minderleistungen oder Leistungsverluste an Wärmeübertragern lassen sich nicht so einfach im dynamischen Anlagenbetrieb identifizieren, was eine zuverlässige Leistungsangabe und Qualitätsüberwachung durch Audits umso wichtiger macht.
Um zuverlässige Bezugsgrößen für den Betrieb zu erhalten, lautete die Empfehlung der Runde, eine Anlage bei Inbetriebnahme zu messen und die ermittelten Werte zu dokumentieren. Im Betrieb selbst solle dann ein Abgleich dieser mit den aktuellen Daten erfolgen. Hierfür kann KI eingesetzt werden, um sowohl einen vorausschauenden Betrieb zu ermöglichen als auch Schwachstellen zu identifizieren. Dies sowie der Einsatz zertifizierter Produkte und Komponenten können dafür sorgen, dass die Angaben der Hersteller bei der Auslegung und dem Betrieb einer Anlage eingehalten werden.
Denn für das Ziel eines umweltfreundlichen Agierens zählt die Praxis vor Ort – nicht der errechnete Wert einer Anlage. Das bedeutet, bestenfalls nur die jeweils nötigen Maßnahmen präzise zu ergreifen und alles andere zu unterlassen. Unverzichtbar ist dazu eine umfassende Transparenz über den Zustand des Gebäudes und der Anlagen. Diese und weitere Aspekte wurden bei einem gemeinsamen Abendessen – samt Besichtigung der Darmstädter Privatbrauerei und Bierverkostung – vertieft, was den Veranstaltungstag zum gegenseitigen Austausch von Herstellern, Betreibern und Planern abrundete.